"Schweizer bekennen nicht gerne Farbe."

Zug, Zugertor

Farbdesignerin und Dozentin Daniela Späth erklärt im Interview, wie wir uns im Alltag durch Farben beeinflussen lassen und woher unser Farbverständnis kommt.

Die aktuelle Pantone Farbe des Jahres ist die Farbe „Living Coral“. Sie wird als fröhliche und lebensbejahende Farbe beschrieben, die Energie spendet und auf sanfte Art belebt. Kann eine Farbe unseren Alltag tatsächlich so fest beeinflussen?
Daniela Späth:
Farben können uns tatsächlich stark beeinflussen. Sie lösen Emotionen aus, deshalb beschreiben wir Farben meist etwas blumig. In der Beschreibung der Pantone Farbe des Jahres steckt aber natürlich sehr viel PR. 

Können wir die Wirkung von Farben aktiv steuern?
Das ist sehr schwierig. Denn vielfach handelt es sich bei der Interpretation von Farbe um eine erlernte Symbolik, die meist mit der Natur in Verbindung steht. So assoziieren wir Farben wie Rot und Orange mit Feuer. Deshalb empfinden wir diese Farben auch als wärmend. Während blaue Farben eher eine kalte Atmosphäre verbreiten, da wir sie mit Wasser verbinden. Darüber hinaus besteht ein gesellschaftlicher Konsens, der uns von klein auf mitgegeben wird.

Das bedeutet also, dass wir in unserem Alltag dauernd durch Farben manipuliert werden…
In einem gewissen Sinn sicher. Unser Hirn ist zu 80% damit beschäftigt, visuelle Wahrnehmungen zu verarbeiten. Das gesprochene Wort spielt eine untergeordnete Rolle. Dieses Wissen machen sich Marketingabteilungen zu nutzen. Paradebeispiel hierfür ist beispielsweise der Supermarkt. Dort sind die gesunden Produkte stets grün und die Lightprodukte hellblau. Diese symbolische Sprache funktioniert unterbewusst und beeinflusst uns, ob wir das möchten oder nicht.

Was geschieht genau in unserem Hirn, wenn wir eine Farbe wahrnehmen?
Dies ist eine spannende, aber auch komplexe Frage. Gerne erkläre ich dies kurz und knapp: Wir nehmen Farbe als elektromagnetische Strahlung über die Netzhaut wahr. Von dort gelangt sie über den Sehnerv ins Zwischenhirn und wird als Nervenimpuls in die primäre Sehrinde weitergleitet. Hier wird das Gesehene zum ersten Mal bewusst wahrgenommen. Abschliessend gelangt es in die sekundäre Sehrinde, welche schliesslich das Gesehene interpretiert.

Herr und Frau Schweizer sind bei der Farbwahl eher zurückhaltend. Bei Kleidern, Autos oder Häuserfassaden dominieren Schwarz-, Weiss-, Grau- oder Blautöne. Woher kommt dies? 
Ich denke, das hat damit zu tun, dass Farben nördlich der Alpen historisch gesehen keine Tradition haben. Im Gegensatz zu Südfrankreich gab es in der Schweiz keine natürlich vorkommenden bunten Farbpigmente, welche in Steinbrüchen (z.B. Ockerbrüche von Roussillon) gefördert wurden. Der weitest verbreitete Anstrich bestand aus Kalk und war folglich weiss. Ein weiterer Grund sehe ich darin, dass die Schweizer nicht gerne Farbe bekennen. Farben sind nämlich immer auch ein Statement und allzu Buntes ist in unserer Gesellschaft (noch) nicht anerkannt.

Die Wirkung von Farben ist stark kulturell bedingt. Hat sich unsere Wahrnehmung durch die Globalisierung und die Einflüsse durch andere Kulturen verändert?
Wie bereits erwähnt, basiert unser Farbverstehen grösstenteils auf Natursymbolen. Dies ist auch in anderen Kulturen der Fall. Deshalb sind die Unterschiede generell nicht so gross. Das heisst aber nicht, dass sie nicht existieren. So ist die Trauerfarbe in der Schweiz Schwarz und in Asien Weiss. Diese kulturell bedingten Unterschiede werden aber in der Zukunft sicherlich weiter abnehmen. Überdies kann sich das gemeinsame Verständnis von Farbsymbolen auch verändern, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.

Können Sie dies genauer erläutern?
Heute ist die Farbe Rosa eine typische Mädchenfarbe. Doch dies war nicht immer so. Bis ins 18. Jahrhundert war Rosa den Knaben vorbehalten und Blau den Mädchen. Die Farbe Purpur – diese wurde von der Purpur-Schnecke gewonnen -  war nämlich die Farbe der Könige. Folglich trugen die kleinen „Könige“ das kleine Rot, also Rosa. Mit der künstlichen Herstellung von Farbstoffen fanden neue Farben den Weg in die Textilindustrie und so wich das Rosa langsam dem blauen Matrosenlook. Um Mädchen zu unterscheiden, kleidete man sie nun in Rosa und die Knaben im blauen Matrosenlook. So nahm die Wandlung der Farbsymbolik ihren Lauf. Es gibt übrigens heute noch Überbleibsel der ursprünglichen Symbolik. So sind die La Gazetta dello Sport und die Financial Times als typisch männliche Medien noch immer auf rosa Zeitungspapier gedruckt.

Wie können sich Malerinnen und Maler das Wissen um die Wirkung von Farben bei der Beratung von Kunden zu nutzen machen?
Ich finde es wichtig, dass Malerinnen und Maler nicht nur den Farbfächer hinhalten, sondern ihre Kunden auch beraten. Laien können die Wirkung von Farben nur schwer abschätzen. Der Profi kann dies und sollte die richtige Nuance empfehlen. Malerinnen und Maler sollten zudem auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden eingehen und sich bewusst sein, dass man mit Farbe auch viel zerstören kann. Ein falscher Farbton kann die gewünschte Wirkung eines Raumes oder einer Form verändern.

Welches sind für Sie absolute No-Gos in der Farbgestaltung?
Für mich verknüpft eine gelungene Farbgestaltung die Funktionalität des Raumes mit dem Wohlbefinden des Nutzers. Deshalb würde ich von einem Büro oder Teenagerzimmer in schwarzer Farbe absehen. Dies macht den Raum einerseits dunkel, andererseits wirkt schwarz häufig destruktiv.

Nun haben wir viel über Farbe gesprochen. Welche ist eigentlich Ihre Lieblingsfarbe?
Meine Farbvorlieben haben sich über die Jahre immer wieder verändert. Momentan kleide ich mich gerne in Blautönen.

 


Daniela Späth
ist ausgebildete Malermeisterin und dipl. Farbdesignerin ICA. Nach ihrem Abschluss an der International Colour Academy in Salzburg war sie einige Jahre als Farbdesignerin in der Industrie tätig. Vor über zwanzig Jahren machte sie sich schliesslich selbstständig und ist heute Inhaberin ihrer Firma Color Motion GmbH in Zug. Neben dieser Arbeit ist Daniela Späth als Dozentin an der ZHAW, der Dold-Academy sowie an der BBZ Schaffhausen tätig. Dabei ist ihr die Vermittlung von praxisnahen Inhalten wichtig.

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